Anti Saloon League

Die Anhänger der Temperence-Prohibition Bewegung verfolgten immer vehement das Ziel, andere zu ändern, sei es mit Überzeugung oder Zwang. Sie selbst waren schon lange von dem guten Geist beseelt, wobei das aber auch nicht immer stimmte.

Der Saloon spielte im gesellschaftlichen Leben im 19. Jahrhundert in den USA eine entscheidende Rolle, aber nur für Männer. Er war Treffpunkt mit Gleichgesinnten, Post, Spielhölle, Nachrichtenquelle, Jobbörse, Marktplatz für „leichte“ Mädchen, also alles, das was Männer nutzten, um aus dem Alltag, dem Job, der Familie oder wo auch immer raus zu entfliehen. Die Saloons fungierten in diesem Sinne für die gehobenen Schichten genau wie für Arbeiter und Einwanderer. Wahlen, Hochzeiten, Beerdigungen, Gewerkschaftstreffen, alles wurde im Saloon abgehalten.

Bis zur Jahrhundertwende zählte man ca. 300.000 Saloons in den USA, die meisten natürlich in den großen Städten, die davon förmlich überquollenen und meist den großen Brauereien gehörten.

Das Problem der Prohibitionsbewegung war, dass sie nicht einfach Alkohol verbieten lassen konnte, selbst wenn sie die Macht dazu gehabt hätten. In der liberaldemokratischen Gesellschaft der USA moralische Grundsätze einzuführen, klappt nur, wenn man diejenigen, die man ändern will oder die einem im Weg stehen, als „unamerikanisch“ bezeichnet, denn dann fallen sie nicht mehr unter den Schutz der Verfassung, man stellt sie außerhalb der politischen Gemeinschaft bloß und man kann beliebig drauf hauen.  

Feindbilder waren schnell gefunden: Den „Ausländern“, wie die Einwanderer aus Irland, Polen, Deutschland, Südeuropa und anderen Ländern, diente der Saloon als Wirkstätte ihres “unamerikanischen“ Treibens. New York ist eine „ausländische“ Stadt, die zufällig in Amerika liegt, von Subgesellschaften und Subkulturen durchsetzt, dicht gefolgt von Chicago und anderen großen Städten. Die Einwanderer waren eben keine „Ausgestoßene“, sondern „Eindringlinge“, die deshalb auch keinen Schutz durch die Verfassung verdient hatten.

Im Süden waren gemäß der Feindbilder der Weißen die Farbigen diejenigen, die nach Genuss von Alkohol zur Bestie werden und weiße Frauen vergewaltigen und so den Hintergrund für schreckliche Gräueltaten an der schwarzen Bevölkerung lieferten.

Die aus Europa übernommene Theorie der Eugenik tat ihr übriges zum Verteufeln des Alkohols dazu, indem sie pseudowissenschaftlich erklärte, dass Alkohol den gesamten Körper krank macht, unter anderem auch die Fortpflanzungsorgane, so das von trinkenden Eltern nur schwachsinnige Idioten gezeugt werden können. D.h. man definiert alle Gegner der Prohibition als kranke Teile der Gesellschaft, die es „auzurotten“ gelte, die Nation an sich wurde durch den Alkohol in Gefahr gebracht.

In Schulbücher prangten Darstellungen von menschlichen Organen, die sich durch Alkoholgenuss „selbst“ entzündeten.

Ein Geschenk des Himmels war für die Prohibitionisten der 1. Weltkrieg, erlaubte er doch, die vor allem deutschstämmigen Brauer als 5. Kolonne des Kaisers zu brandmarken und viele Brauereien mussten schließen, der Deutsche als Hochverräter! Der Deutsche war der Feind schlechthin, deutsche Lehnworte wurden aus dem amerikanischen verband, aus „Sauerkraut“ wurde „liberty cabbage“, aus „Hamburger“ „liberty sandwich“ und aus deutschen „Masern“ „liberty measels“. „Alles Pro-Deutsche ist unamerikanisch, alles Pro-Deutsche muss weg!“ Dackel wurden zu Tode gesteinigt!

Nach dem 1. Weltkrieg geriet der Deutschenhass schnell wieder in Vergessenheit und die Hatz auf die „Roten“ nahm seinen Platz ein. Ziele waren jetzt Menschen aus Süd-osteuropa und Ost-Europa, denen der unmäßige Hang zum Alkohol (und später zum Schmuggeln) angelastet wurde und so ein weiteres Feindbild aufgebaut werden konnte.

Die Anti Saloon League wurde zusehends mächtiger und kontrollierte aus dem Hintergrund bald die gesamte Nation. Die vorher noch so bedeutsame Frauenbewegung trat immer mehr in den Schatten.  Ein Mann hatte alle Fäden dieses modern organisierten Unternehmens in der Hand: Wayne Wheeler, vor dem, wie man sagte, alle Abgeordneten Männchen machten.

Wayne Bidwell Wheeler, half-length portrait

Heute würde man ihn als Lobbyisten bezeichnen. Er anerkannte vollständig das 2-Parteiensystem und wandte sich sowohl an Republikaner als auch Demokraten. Die Frauenbewegungen spannte er ebenso ein, weil er ihnen u.a. das Wahlrecht versprach, wie andere gesellschaftliche Gruppen, die er brutal vor die Frage stellte: bist du für oder gegen Alkohol. Er schreckte auch davor nicht zurück, unliebsame Details von Politikern zu veröffentlichen, Hauptsache seine Kampagne, die Verbannung von Alkohol, hatte Nutzen davon.

War die Bewegung zuerst von christlich geprägten, moralpredigenden Frauen getragen, so war sie doch am Ende, bzw. vor ihrem Triumph eine breite nationale Strömung geworden, die von vielen unterstützt wurde:

  • Die Anti Saloon League

  • Die Frauenbewegung gegen Alkohol

  • Demokraten und Republikaner, die von Wheeler mit Hilfe unterschiedlicher Methoden „überzeugt“ worden waren

  • Industrielle wie Henry Ford und Andrew Carnegie, die behaupteten, Alkohol sei schlecht für die Arbeit. Ford verbot Alkohol bei seinen Angestellten auch komplett und ließ den Werkschutz in den Wohnungen der Mitarbeiten Stichproben durchführen

  • Progressive, die vor allem nach neuen Schlüsseln für die Umverteilung suchten (s.u.)

  • Konservative, die vor allem moralisch argumentierten

  • Kirchgänger, die im Alkohol und dem Umfeld die Sünde schlechthin sahen

  • Freigeister

  • Gewerkschaftler, wie die IWW, die im Alkohol einen Mechanismus des kapitalistischen Systems sahen, die Arbeiter zu schwächen

  • Der farbige Führer Booker T. Washington war für die Prohibition, weil er glaubte, dass Alkohol der schwarzen Bewegung schaden würde

  • Die erzkonservativen weißen Kräfte im Süden, die unbedingt verhindern wollten, dass die Farbigen sowohl Alkohol und/oder einen Stimmzettel bekamen


Sie alle wusste Wheeler hinter sich und es begann der Gang durch die Instanzen.