Rollenverteilung in der Prohibition

Die Rollen im Alkoholgeschäft blieben während der Prohibition zwar prinzipiell gleich verteilt, wurden aber inhaltlich doch stark verändert:

Der Lieferant

Bier-, Wein und Schnapsverkäufer gab es vor der Prohibition zu Hauf, aber gemäß Volstead, war der Verkauf nun verboten. Die Lieferung driftete also ins illegale, der Lieferant wurde zum Schmuggler (bootlegger).
Wie der Schmuggel durchgeführt wurde, war mit eine außerordentlichen Kreativität verbunden und die Preise für Alkohol schossen in die Höhe. Viele Kosten, die es vorher nicht gab, wurden auf den Preis aufgerechnet, wie z.B. Schmiergelder, „spezielle“ Transporte, Anmietung von Lagerhäusern, neue Logistik etc. .

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Der Hersteller

Hersteller von Liqour gab es natürlich legal im Ausland weiterhin. In Kanada gab es keine Prohibition und Alkohol konnte völlig legal erworben werden. Ebenso in Mexiko oder den Karibischen Staaten floß der Alkohol nach wie vor in Strömen, der Import war aber nach Volstead untersagt.

Innerhalb der USA verlagerte sich die Produktion (sofern sie nicht zur Herstellung von Alkohol für „medizinische“ Zwecke diente) ins illegale. Es gab zig-tausende von kleinen Destillieranlagen (moonshiner), die aber z.T. mit Bleirohren versehen waren, was zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führte. Ferner waren die Facharbeiter in alle Winde verweht, so daß nun Stümper „versuchten“ Sprit zu erzeugen, der dann auch entsprechend schmeckte, bzw. gesundheitsgefährdend war. Es gab auch Versuche, Industrieprodukte mit Alkohol zu „redestillieren“, mit ekelhaftem Erfolg.

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Whiskey muß, um Geschmack zu entwickeln, im Holzfaß reifen. Das dauerte den Panschern aber viel zu lange, also wurde der Geschmack „chemisch optimiert“, so daß Getränke entstanden, die die Bezeichnung „Whiskey“ sicher nicht verdient hatten („ich kann in 7 Minuten 7 Jahre alten Rum erzeugen!“).
Auch hier war der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Es wurden Produkte produziert und verkauft, die völlig im Einklang von Volstead waren. Wenn man sie aber mit anderen Produkten vermischte, entstand, oh Wunder, ein alkoholisches Getränk. Als Beispiel sei hier nur „Vine-glo“, ein Extrakt aus Trauben, den man „auf keinen Fall mit Hefe und Zucker mischen sollte“! Malz-Mixturen wurden ebenfalls vertrieben, aber die Herstellung von Whiskey mit kleinen bis mittelgroßen Anlagen, stand im Vordergrund. Damit ließ sich „richtig“ Geld verdienen.

Der Endverbraucher

Die soziale Struktur der Endverbraucher verschob sich zugunsten der wohlhabenden, die sich Bootleggwhiskey locker leisten konnten, während die unteren Schichten leer ausgingen oder den „letzten Rest genießen“ durften. Von daher ist auch zu erklären, warum viele Mitglieder der Oberschicht sehr wohl für die Prohibition stimmten, da sie ja nicht direkt betroffen waren, es traf eben „die anderen“, Ausländer, Illegale und sonstiges Pack, denen man „Manieren“ beibringen mußte.
Der Geschmack der Konsumenten verschob sich auch immer mehr zu härteren Drinks, da  sie, je höher konzentriert, desto weniger Platz beim illegalen Transport einnahmen. Bier und Wein war am Anfang der Prohibition quasi nicht mehr zu bekommen, gegen Ende gab es dann schon mehr Gerstensaft, der aber schauderhaft geschmeckt haben muß.

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Die Zeit der großen Aufmärsche der Alkoholgegner war nun vorbei. Man hatte alles erreicht, was man wollte, „höheres“ als die Verfassung gab es nicht. Doch Wheeler und seiner Anti Saloon League sowie Mrs. Willebrand ging das alles nicht weit genug.

Die Hardliner sahen, das der Alkoholkonsum zwar in den ersten Jahren der Prohibition eingebrochen war, aber sich langsam aber stetig wieder auf alte Verbrauchszahlenniveau begab. Im Volstead Act war eine Rolle eben nicht mit der Geißel des Gesetzes in den Fokus gerückt: der Endverbraucher. Es war ihnen ein tiefes Anliegen, auch diese Bastion noch zu nehmen. Z.B. versuchte man die illegale Herstellung oder den Schmuggel als „schweres Vergehen“ zu titulieren, dann wäre der Kunde eine Art „Unterstützer“ eines Schwerverbrechers und dann wiederum auf diesem Umweg belangt werden zu können. Ferner führte man eine „Meldepflicht“ ein, jeder wurde verpflichtet, Verstöße gegen das Volsteadgesetz sofort „anzuzeigen“, die Amerikaner sollten zu einem Volk von Denunzianten werden.

Aber alle diese Verschiebungen und Umorientierungen konnten eins nicht verhindern: die Entstehung der organisierten Kriminalität.

Der Staat

Dadurch, das sich das Alkoholgeschäft weitestgehend ins Illegale verschob, entzog es sich auch der Staatskontrolle. Lebensmittelkontrollen, Ausbildung, Steuern, Zoll, Genehmigungen alle diese Dinge fielen jetzt weg und dieser Wirtschaftszweig war sich selbst überlassen, getrieben von einer unstillbaren Profitgier, der die Gesundheit der Konsumenten völlig egal war. Die schlechtbezahlten Polizisten und andere Staatsdiener wurden bestochen, beide Augen zuzudrücken. Bis in höchste Ämter hinein wurde die „Hand aufgehalten“. Es wurden Gesetze erlassen, die Industriealkohol mit giftigen Zusatzstoffen „streckten“, um deren Nutzung als „Getränk“ zu unterbinden, was aber nicht alle mitbekamen…

Die Syndikate

Im weiteren Verlauf der 20’er Jahre traten immer mehr Syndikate auf den Plan, also straff organisierte Verbrecherbanden, die den Alkoholmarkt unter sich aufteilten. Sie beschäftigten z.T. massenweise Angestellte, die nicht direkt zur Bande gehörten und wurden geführt, wie „richtige“ große Unternehmen, mit allem was dazu gehört. In diesem Umfeld wurden natürlich auch andere Verbrechen organisiert, Prostitution, Spielerei, Drogen, Geldwäsche, Menschenhandel, die gesamte Phalanx der Unterweltaktivitäten. Aber mehr dazu später.